Menschen­rechts­lage auf der Krim

Amnesty International stellt seit 2014 auf der Krim umfassende Menschenrechtsverletzungen fest, die durch die Behörden der Russischen Föderation sowie die De-Facto-Behörden auf der Krim verübt werden. Diese reichen von Hausdurchsuchungen und Drohungen, über Verweisung des Landes oder die kurzzeitige zwangsweise Unterbringung in der Psychiatrie bis zum „Verschwinden lassen“ von Aktivist*innen und der Verurteilung zu langjährigen Haftstrafen.

Im Jahr 2020 wurde das harte Vorgehen gegen menschenrechtliches Engagement und jede Form von Dissens auf der Krim fortgesetzt, ebenso wie die Einschränkungen für die Medien. Fälle von Verschwindenlassen aus dem Jahr 2014, zu Beginn der russischen Besetzung des Gebiets, wurden nicht untersucht.

Die russischen Besatzungsbehörden nahmen weiterhin Menschenrechtsverteidiger*innen ins Visier, darunter auch Mitglieder der basisdemokratischen Bewegung Krim-Solidarität, einem Zusammenschluss ethnischer Krimtatar*innen. Dutzende ihrer Mitglieder sahen sich mit politisch motivierten Strafverfahren konfrontiert, meist wegen angeblicher Mitgliedschaft in der islamischen Bewegung Hizb-ut-Tahrir, die in Russland als „terroristisch“ verboten, in der Ukraine aber legal ist. Willkürliche Hausdurchsuchungen, inoffizielle Verhöre durch russische Sicherheitskräfte und Einschüchterung wurden ebenfalls häufig als Repressalien gegen ethnische Krimtatar*innen eingesetzt.

Im März 2020 suchten Angehörige der russischen Strafverfolgungsbehörden mehrere Mitglieder der Krim-Solidarität zu Hause auf, darunter auch ihren Koordinator Mustafa Seydaliyev und den Menschenrechtsverteidiger Abdureschit Dschepparow, um ihnen eine offizielle schriftliche Warnung vor der künftigen Teilnahme an „nicht sanktionierten Aktionen“ (Protest- oder Gedenkveranstaltungen) zu übergeben. Der frühere Koordinator der Krim-Solidarität, der gewaltlose politische Gefangene Server Mustafayev, wurde am 16. September 2020 zusammen mit sieben Mitangeklagten von einem Militärgericht in Rostow am Don in Russland unter dem Vorwurf des Terrorismus zu 14 Jahren Haft verurteilt.

Religiöse Minderheiten wurden nach wie vor verfolgt. Serhii Filatov und Artem Herasymov, zwei Angehörige der Zeugen Jehovas, standen in getrennten Verfahren wegen der Ausübung ihres Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit vor Gericht. Sie wurden im März bzw. Juni 2020 zu jeweils sechs Jahren Haft verurteilt.

Im Folgenden haben wir Ihnen einige der durch Amnesty International dokumentierten Fälle zusammengestellt. Weitere Informationen zu den hier genannten Fällen sowie der Menschenrechtslage auf der Krim finden Sie in den Amnesty-Stellungnahmen und -Berichten.

Pressefreiheit:

Vladyslav Yesypenko; (c) privat

Der Journalist Vladyslav Yesypenko wurde während seiner Tätigkeit auf der Krim im März 2021 durch den russischen Geheimdienst FSB festgenommen. Ihm wurde vorgeworfen, „im Interesse des ukrainischen Geheimdienstes“ Informationen gesammelt und in seinem Auto einen Sprengsatz aufbewahrt zu haben. Nach seiner Festnahme hatte Vladyslav Yesypenko beinahe einen Monat lang keinen Zugang zu unabhängigen Anwälten. Er sagte aus, sein Geständnis sei unter Folter erzwungen worden. Am 16. Februar 2022 wurde Vladyslav Yesypenko zu 6 Jahren Haft verurteilt. Amnesty International fordert die Aufhebung des Urteils und seine umgehende Freilassung.

Bitte setzen Sie sich hier für die Freilassung von Vladyslav Yesypenko ein! 

Mykola Semena, ein pro-ukrainischer Journalist wurde am 22. September 2017 von einem Gericht auf der Krim zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Verletzung der territorialen Integrität Russlands verurteilt. Er hatte in einem Artikel erörtert, warum er die Annexion der Krim ablehnt, und sich für eine Blockade der besetzten Krim ausgesprochen. Laut russischem Strafgesetzbuch ist es strafbar, öffentlich zu Handlungen aufzurufen, die auf die Verletzung der territorialen Integrität Russlands gerichtet sind. Dieser Straftatbestand findet nun auch in Bezug auf die Krim Anwendung. Semenas Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, war aber an ein dreijähriges Berufsverbot gekoppelt, das später auf zwei Jahre reduziert wurde. Im Januar 2020 wurde der Eintrag im Strafregister von Mykola Semena durch die Entscheidung eines De facto-Gerichts auf der Krim getilgt. Später konnte Mykola Semena die Krim verlassen. Er hielt sich zuletzt in Kiev auf.  Amnesty International fordert die Einstellung aller Verfahren, die darauf beruhen, dass sich Personen gegen die Annektierung der Krim und die Besatzung durch Russland ausgesprochen haben.


Meinungsfreiheit:

Amnesty-Aktion zu Oleg Sentsov im Sony Center / Berlinale am 14.02.2016 in Berlin.
(© Henning Schacht Leuthener Str. 1 – D 10829 Berlin – phone +49 177 6443393 – www.berlinpressphoto.de)

Oleg Sentsov, ein international bekannter ukrainischer Filmregisseur, schloss sich 2013/2014 im Rahmen des „AutoMaidan“ der „Maidan-Bewegung“ in der Ukraine an, deren Proteste zum Ende der Präsidentschaft von Viktor Janukowitsch führten. Er gehörte zu denen, die gegen die Intervention der Russischen Föderation auf der Krim und ihre Annexion friedlich protestierten.

In der Nacht vom 10. zum 11. Mai 2014 wurde Oleg Sentsov in seinem Haus in Simferopol auf der Krim von Angehörigen des russischen Inlandsgeheimdienstes „FSB“ verhaftet. In dem gegen ihn in der Russischen Förderation geführten Strafverfahren wurde ihm zur Last gelegt, Mitglied der ukrainischen Organisation „Rechter Sektor“ gewesen, im April 2014 an terroristischen Aktivitäten auf der Krim beteiligt gewesen zu sein sowie weitere Aktionen zu planen. Sowohl Oleg Sentsov wie auch der „Rechte Sektor“ bestreiten dies.

Gestützt wurden die Vorwürfe auf die Aussagen eines Zeugen, der ebenfalls im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten auf der Krim verhaftet worden war. Dieser widerrief seine Aussage im Strafprozess gegen Oleg Sentsov im Juli 2015 jedoch und gab an, seine ursprüngliche Aussage unter Folter gemacht zu haben. Diesen Foltervorwürfen wurde nicht nachgegangen. Am 25. August 2015 wurde Oleg Sentsov von einem Bezirksmilitärgericht in Rostov-am-Don zu 20 Jahren Haft wegen Bildung einer terroristischen Zelle und Planung terroristischer Akte verurteilt. Seine Strafe verbüßte er zuletzt in der russischen Strafkolonie IK-8 (Weisser Bär) bei Labytnangi am Polarkreis in der Russischen Föderation.

Im Mai 2018 begann Oleg Sentsov einen zeitlich nicht befristeten Hungerstreik, um die Freilassung „aller ukrainischen politischen Gefangenen in Russland“ zu erreichen. Nachdem sich sein Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert hatte, brach er seinen Hungerstreik unter Hinweis auf eine anstehende Zwangsernährung Anfang Oktober 2018 ab.

Amnesty International ist der Überzeugung, dass das Gerichtsverfahren gegen Oleg Sentsov nicht den internationalen Standards für faire Gerichtverfahren entsprach, insbesondere weil Foltervorwürfen nicht nachgegangen wurde. Zudem ist das Urteil von einem russischen Militärgericht ausgesprochen wurde, das für ihn als ukrainischen Staatsbürger nicht zuständig war. Amnesty International forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung von Oleg Sentsov sowie die umgehende unparteiische und wirksame Untersuchung der Vorwürfe zu Folter­ und Misshandlungen, die im Verfahren erhoben wurden.

Oleg Sentsov wurde nach mehr als fünf Jahren Haft in der Russischen Förderation im Rahmen eines Gefangenenaustauschs zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation am 7. September 2019 gemeinsam mit anderen Inhaftierten freigelassen.

 

Der ukrainische Aktivist Aleksandr Kolchenko wurde 2015 von einem russischen Militärgericht wegen „terroristischer Aktivitäten“ zu 10 Jahren Haft verurteilt. Er hatte sich zuvor gegen die Okkupation der Krim durch die Russische Föderation gewandt.

Amnesty International ist der Überzeugung, dass Aleksandr Kolchenko in einem unfairen Verfahren verurteilt wurde. Die Anklage konnte keine ausreichenden Beweise dafür vorlegen, dass die im vorgeworfenen Taten tatsächlich terroristische Akte waren. Grundlage der Verurteilung sind Zeugenaussagen, die aller Wahrscheinlichkeit nach unter Folter und Misshandlung erzwungen wurden. Die russischen Behörden sind den Foltervorwürfen nicht nachgegangen. In Haft wurden Aleksandr Kolchenko zeitweise die Medikamente für seine Herzrhythmusstörungen verweigert. Amnesty International forderte, dass das Urteil gegen Aleksandr Kolchenko umgehend aufgehoben wird und nachvollziehbare Anklagen gegen ihn erhoben werden. In einem solchen Fall hätte er auf der Krim unter ukrainischem Recht vor ein ziviles Gericht gestellt werden müssen. Andernfalls forderte Amnesty International die Freilassung von Aleksandr Kolchenko.

Aleksandr Kolchenko wurde nach mehr als fünf Jahren Haft in der Russischen Förderation im Rahmen eines Gefangenenaustauschs zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation am 7. September 2019 gemeinsam mit anderen Inhaftierten freigelassen.

 

Server Karametov wurde festgenommen, weil er eine Ein-Mann-Protestaktion durchführte.
(© Valery Balayan)

Am 8. August 2017 nahmen die De-facto-Behörden der von Russland besetzten Krim den 76-jährigen Krimtataren Server Karametov fest. Er hatte eine friedliche Protestaktion durchgeführt und ein handschriftliches Plakat hochgehalten, das eine Forderung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den De-Facto-Premierminister der Krim Wladimir Aksyonov beinhaltete. Auf dem Plakat stand: „Putin (Aksyonov), unsere Kinder – Akhtem Chiygoz – sind keine Terroristen! Hört auf mit der Beschuldigung von Krimtataren“.

Videoaufnahmen eines Augenzeugen zeigten, wie vier Polizist_innen Server Karametov einkreisten und ihn packten, um ihn abzuführen. Server Karametov bestand darauf, seinen Protest fortzuführen, und bewegte seine Hände auf eine recht willkürliche Art – ein typisches Symptom der Parkinson-Krankheit, an der Karametov litt. Am Abend desselben Tages belegte das Bezirksgericht Zheleznodorozhny in Simferopol Karametov mit einer Geldstrafe, da er die „Regeln für einen Ein-Mann-Protest verletzt“ habe. Am 9. August 2017 wurde Server Karametov vor demselben Gericht wegen Widerstands gegen die Polizei zu zehn Tagen „Verwaltungshaft“ verurteilt. Am 19. August 2017 wurde er nach Verbüßung seiner Strafe aus der entlassen. Amnesty International betrachtete Server Karametov als gewaltlosen politischen Gefangenen und forderte seine umgehende und bedingungslose Freilassung.

 

Rafis Kashapov; (c) Elena Lysenko, Crimean Human Rights Group

Rafis Kashapov, Direktor einer örtlichen Zweigstelle der NGO Tatar Public Centre in Naberezhnye Chelny in Tatarstan (eine der Republiken der Russischen Föderation), war am 28. Dezember 2014 von Angehörigen des Inlandsgeheimdienstes bei der Durchsuchung seiner Wohnung festgenommen worden. Er wurde beschuldigt, zu Handlungen aufgerufen zu haben, die „die territoriale Einheit der Russischen Föderation bedrohen“ (Paragraf 280, 1 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation). Außerdem habe er „Hass oder Feindschaft und Erniedrigung der menschlichen Würde“ geschürt (Paragraf 282 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation). Dies bezog sich auf mehrere Beiträge in den sozialen Medien, die er nach der Annektierung der Krim durch Russland im März 2014 gepostet hatte. In diesen Beiträgen verurteilte er die Beteiligung der russischen Regierung am bewaffneten Konflikt in der Ostukraine und die Verfolgung von Krim-Tatar_innen. Am 15. September 2015 wurde er vom Stadtgericht in Naberezhnye Chelny zu drei Jahren Haft verurteilt. Er wurde am 27. Dezember 2017 nachdem er seine Strafe verbüßt hatte aus der Haft entlassen. Amnesty International betrachtete Rafis Kashapov während seiner Inhaftierung als gewaltlosen politischen Gefangenen, der lediglich sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hatte.


Diskriminierung der Krimtatar*innen:

Verbot des Medschlis und Vorgehen gegen führende Persönlichkeiten des Medschlis: Der Medschlis ist seit 1991 die Vertretung (Repräsentativkörperschaft) der Krimtatar*innen. Er wird durch die krimtatarische Volksversammlung gewählt und wird von den ukrainischen Behörden als repräsentatives Organ der Tatar*innen anerkannt. Im Jahr 2016 wurde der Medschlis von den russischen Behörden als extremistische Vereinigung eingestuft und verboten. Die Mitgliedschaft und jede weitere Aktivität im Namen der Organisation stellt somit nun auf dem Gebiet der Russischen Föderation eine Straftat dar. Amnesty International fordert, die Aufhebung der Einstufung des Medschlis als extremistische Organisationen und aller damit verbundenen Einschränkungen.

Mustafa Dzhemiliev (3. von links) und Refat Chubarov (2. von links) am 20.07.16 in Kiev; (c) Elena Lysenko, Crimean Human Rights Group

 

Refat Chubarov, dem aktuellen Vorsitzenden des Medschlis, wurde bereits im Juli 2014 eine Einreise auf die Krim für 5 Jahre untersagt. Mustafa Dzhemiliev, ein langjähriger Menschenrechtsverteidiger und Gründer des Medschlis, wurde ebenfalls mit einem fünfjährigen Einreiseverbot belegt. Amnesty International forderte, die Einreiseverbote aufzuheben und den umgehenden Zugang für Refat Chubarov und Mustafa Dzhemiliev auf die Krim zu ermöglichen. Das Einreiseverbot stellte eine Verletzung ihres Rechts auf Bewegungsfreiheit dar, das in Artikel 12 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (Art. 12 (4): „Niemand darf willkürlich das Recht entzogen werden, in sein eigenes Land einzureisen“) und dem Protokoll Nr. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist. Die Russische Föderation ist Vertragsstaat beider Abkommen.

 

 

Ilmi Umerov; (c) Elena Lysenko, Crimean Human Rights Group

 

Die stellvertretenden Sprecher des Medschlis Akhtem Chiygoz und llmi Umerov wurden im Herbst 2017 auf der Krim in einem Scheinverfahren zu acht bzw. zwei Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Die Grundlage für die Verurteilung von Akhtem Chiygoz bildeten konstruierte Anklagen wegen angeblicher Organisation von Massenunruhen im Jahr 2014. Umerov war für schuldig befunden worden, „öffentlich dazu aufgerufen zu haben, die territoriale Integrität der Russischen Föderation zu verletzen“ (Paragraf 280.1 des Russischen Strafgesetzbuchs), nachdem er die russische Besetzung der Krim kritisiert hatte. Zuvor war Umerov im August 2017 durch ein Bezirksgericht in Simferopol für drei Wochen in die Psychiatrie eingewiesen worden. Das Ergebnis der zwangsweisen „psychiatrischen Untersuchung“ war, dass er unter keinen mentalen Krankheiten leide.

Akhtem Chiygoz; (c) Elena Lysenko, Crimean Human Rights Group

 

Amnesty International betrachtete llmi Umerov und Akhtem Chiygoz als gewaltlose politische Gefangene und forderte ihre umgehende und bedingungslose Freilassung. Am 25. Oktober 2017 wurden beide in die Türkei ausgeflogen und dort freigelassen. Sie kehrten im Anschluss in die Ukraine zurück.

 

 

 

Emir-Usein Kuku; (c) privat

Emir-Usein Kuku ist Krimtatar und Menschenrechtsaktivist auf der Krim. Er beteiligte sich an der Beobachtung und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen seit der Annexion im Februar/März 2014. Kuku arbeitete vor allem zum Verschwinden von Aktivist_innen, außerdem bot er juristischen Beistand für Krimtatar*innen, die strafrechtlich verfolgt wurden.

Im Februar 2016 wurde er von den russischen Behörden der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ und „Verschwörung zur gewaltvollen Machtergreifung“ beschuldigt und anschließend verhaftet. Hintergrund dieser Anschuldigung ist die angebliche Mitgliedschaft in der islamistischen Bewegung „Hizb-ut Tahrir“. Kuku selbst bestreitet die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden. Vor seiner Verhaftung wurden sowohl Kuku als auch seine Familie mehrfach Opfer von Schikanen durch den FSB (Föderaler Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation).

Kuku befand sich nach seiner Verhaftung zunächst fast zwei Jahre auf der Krim in Untersuchungshaft, bevor er im Dezember 2017 für sein Gerichtsverfahren in das russische Rostow am Don verlegt wurde. Im Januar 2018 begann dort Kukus Prozess vor dem Nordkaukasischen Bezirksmilitärgericht. Am 12. November 2019 wurden er und seine fünf Mitangeklagten Muslim Aliev, Vadim Siruk, Enver Bekirov, Arsen Dzhepparov und Refat Alimov in Russland auf Basis konstruierter Anklagen zu langen Haftstrafen zwischen 7 und 19 Jahren verurteilt.

Während des ganzen Verfahrens wurden keine glaubhaften Belege für ihre Beteiligung an einer international anerkannten Straftat vorgelegt. Kuku und seine Mitangeklagten sind in Berufung gegangen. Das russische Militärberufungsgericht hat jedoch am 25. Juni 2020 den Schuldspruch gegen den Krimtataren und Menschenrechtsverteidiger Emir-Usein Kuku und seine fünf Mitangeklagten bestätigt. Muslim Aliyev wurde zu 19 Jahren Gefängnis in einer Strafkolonie verurteilt. Enver Bekirov erhielt 18 Jahre, Vadim Siruk und Emir-Usein Kuku wurden zu jeweils zwölf Jahren Haft verurteilt, Refat Alimov zu acht Jahren und Arsen Dzhepparov zu sieben Jahren. Alle sechs Männer sind gewaltlose politische Gefangene und müssen umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Bitte setzen Sie sich mit Amnesty International hier für die Freilassung von Emir-Usein Kuku und die weiteren Verurteilten ein!

 

Server Mustafayev; (c) privat

Server Mustafayev ist ein Menschenrechtsverteidiger, der auf der russisch besetzten Krim-Halbinsel aktiv war. Seit Mai 2018 ist er wegen Terrorismusvorwürfen in Haft. In der Untersuchungshaft wurde er zeitweise unter so schlechten Bedingungen festgehalten, dass dies einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung gleichkam. Während des Prozesses wurde ihm eine notwendige medizinische Versorgung verweigert.

Im September 2020 wurde Server Mustafayev zu 14 Jahren Haft in einer Strafkolonie mit besonders strengen Sicherheitsmaßnahmen verurteilt – obwohl keine Beweise vorliegen, dass er eine international anerkannte Straftat begangen hat. Server Mustafayev ist ein gewaltloser politischer Gefangener.

Setzen Sie sich mit Amnesty International hier dafür ein, dass Server Mustafayev umgehend freigelassen wird.

 


Repression gegen Anwält*innen

Die krimtatarische Menschenrechtsverteidigerin und Anwältin Lilia Hemedzhy © privat

Lilia Hemedzhy, die als Anwältin Krimtatar*innen vertritt, ist aus der tschetschenischen Anwaltskammer in Russland ausgeschlossen worden. Dies ist eine Vergeltungsmaßnahme für ihre Arbeit auf der von Russland besetzten Krim. Zuvor war ihr Gesuch für einen Wechsel in die Anwaltskammer der Krim willkürlich abgelehnt worden. Durch den Ausschluss aus der Anwaltskammer kann sie Krimtatar*innen in strafrechtliche Verfahren nicht länger vertreten.

Amnesty International fordert die Anwaltskammer der Tschetschenischen Republik auf, sich für ihre Kollegin Lilia Hemedzhy einzusetzen und ihr die notwendige Unterstützung und den rechtlichen Beistand zu geben, um die schädigenden und einschüchternden Praktiken zu unterbinden, die darauf abzielen, sie an der Ausübung ihrer Tätigkeit als Anwältin für muslimische Mandant*innen auf der Krim zu hindern, sowie.das Berufungsverfahren von Lilia Hemedzhy bis zur letzten Instanz zu unterstützen und im Namen der Anwaltskammer Berufung gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts Zheleznodorozhnyi in Simferopol auf der Krim einzulegen.

 

Emil Kurbedinov; (c) Elena Lysenko, Crimean Human Rights Group

Der bekannte Menschenrechtsanwalt Emil Kurbedinov wurde am 26. Januar 2017 festgenommen und umgehend vom Bezirksgericht Zheleznodorozhny in Simferopol, der Hauptstadt der Krim, zu zehn Tagen „Verwaltungshaft“ verurteilt. Die Haft wurde mit der angeblichen Verletzung von Paragraf 20.3 des Russischen Gesetzbuches für Ordnungswidrigkeiten der Propaganda und öffentlichen Darstellung von Nazi- und anderen extremistischen Symbolen begründet. Emil Kurbedinov wurde schuldig befunden, in den sozialen Medien das Video eines Treffens der muslimischen Organisation Hizb ut-Tahrir auf der Krim geteilt zu haben. In Russland ist Hizb ut-Tahrir als „terroristische Vereinigung“ verboten. Die Veröffentlichung geht jedoch auf den 5. Juni 2013 zurück, also noch vor der russischen Besetzung und Annexion der Krim. Hizb ut-Tahrir ist nach ukrainischem Recht keine verbotene Organisation und das Treffen der Mitglieder war, wie im Video zu sehen ist, eine friedliche Versammlung. Nach Verbüßung der Strafe wurde Emil Kurbedinov am 5. Februar 2017 aus der Haft entlassen, im Dezember 2018 jedoch erneut für 5 Tage inhaftiert. Amnesty International hatte seine umgehende und bedingungslose Freilassung aus der Verwaltungshaft gefordert.

Emil Kurbedinov hat zahlreiche Strafverfahren gegen Krimtatar*innen als ihr Anwalt begleitet. Er hat international mutig auf die Menschenrechtsverletzungen auf der Krim aufmerksam gemacht. Nach seiner Freilassung versicherte er, weiter für die Einhaltung der Menschenrechte auf der Krim eintreten und seine berufliche Pflicht als Anwalt wahrnehmen zu wollen. Zurzeit liegen keine Anklagen gegen Emil Kurbedinov vor, doch er ist nach wie vor in Gefahr, Opfer von Vergeltungsmaßnahmen und Schikane durch die De-Facto-Regierung und die russischen Behörden zu werden. Zudem ist er vom Ausschluss aus der Anwaltskammer bedroht.


Verschwindenlassen

Der Aktivist Ervin Ibragimov ist ein ethnischer Krimtatar aus der Stadt Bachtschyssaraj auf der Krim. Er gehörte früher dem Stadtrat an und ist Mitglied des Weltkongresses der Krimtataren, einer internationalen Organisation, die nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 gegründet wurde, um die Rechte und das kulturelle Erbe der Krimtatar*innen zu schützen.

Ervin Ibragimov wurde zuletzt am 24. Mai 2016 in der Nähe seines Hauses in Bachtschyssaraj gesehen. Die Überwachungskameras eines Geschäfts dort haben aufgezeichnet, wie mehrere Männer den Wagen von Ervin Ibragimov anhielten. Man sieht, wie er kurz mit den Männern spricht, bevor er einen Fluchtversuch unternimmt. Die Männer bekommen ihn jedoch zu fassen und zwingen ihn in ihren Lieferwagen, der dann umgehend davonfährt. Seither fehlt von ihm jede Spur.

Seit der Annexion und Besetzung der Krim-Halbinsel durch Russland im Jahr 2014 ist über mehrere Fälle des Verschwindenlassens von ethnischen Krimtataren berichtet worden. Obwohl die Familien der „Verschwundenen“ von den De-facto-Behörden entsprechende Zusagen erhielten, sind bisher in keinem dieser Fälle wirksame Ermittlungen durchgeführt worden, obwohl ausreichende Beweise (auch Videomaterial) dafür vorlagen, dass in zumindest einigen dieser Fälle pro-russische Paramilitärs der sogenannten „Selbstverteidigungskräfte“ auf der Krim involviert waren. Amnesty International fordert die vollständige und unabhängige Untersuchung aller Verschwundenenfälle auf der Krim seit 2014.